Luzern soll sich gestalten lassen dürfen!

06.05.2021

Spätestens seit Beginn des Jahres 2021 ist die Soldatenstube und die Familie Eichwäldli allen Luzerner*innen bekannt und ein politischer Dauerbrenner, bei welchem sich die Kluft zwischen dem Stadtrat und der Bevölkerung stetig vergrössert hatte. Der Polizeieinsatz mit den baulichen Einrichtungen in Abwesenheit der Familie Eichwäldli vom letzten Dienstag stellt den Höhepunkt dar und widerspiegelt die lange mühselige Geschichte, welche Kultur- und Freiräume in Luzern zu verzeichnen haben.

„Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce“, sagte bereits Karl Marx, womit er wohl nicht die unkommerziellen Freiräume in Luzern meinte, jedoch lässt sich diese Aussage auch in diesem Politikum wieder erkennen. Erinnert man sich an die BOA, ähnelt diese Thematik sehr stark dem heutigen Diskurs. Auch damals sollte ein einzigartiger Frei- und Kulturraum in Luzern verschwinden, auch damals wehrte sich die Bevölkerung gegen das Vorhaben des Stadtrates und auch damals wollte kein Ersatz gleicher Art gefunden werden. Obzwar der Südpol als Nachfolge tituliert wird, kann man nicht davon sprechen, den alternativen kreativen Geist der BOA noch am Leben gelassen zu haben.

Und die Liste verdrängter Kulturräume, geschaffen durch und für Luzerner*innen, ist noch länger. Das Gewerbegebäude an der Tribschenstrasse wird von der CSS einverleibt, das Frigorex und das Uferlos wurden ersatzlos für Überbauungen abgerissen, die Belebung freistehenden Wohnraumes in den Bodum-Villen musste durch die Gundula initiiert werden und der Wärchhof musste lange dafür kämpfen, damit das Treibhaus die Nachfolge wurde. Das Eichwäldli scheint sich nun auch einreihen zu müssen, obzwar der breite Wille zum Erhalt aus der Bevölkerung und dem Quartier kommt und die Familie Eichwäldli erheblichen Anteil an der Aufwertung dieses Stadtteils zu verzeichnen hat.

Der mutlose Stadtrat hat sich das eingebrockt

Das Verhalten des Stadtrates, sich anderen Wegen zu verschliessen und den Diskurs um einen Ersatz repressiv zu umgehen, ist nicht wie ein Stadtrat mit seinen Wähler:innen umzugehen hat. Dass die Bevölkerung per Selbstinitiative für solche alternative Orte zu kämpfen hat, ist unter anderem Verschuldung der Stadtverwaltung, sich zu wenig für Visionen und Experimente seiner Bevölkerung einzusetzen und mit Mut kreative und bunte Projekte anzupacken. Bleibt die Stadtluzerner Exekutive weiterhin stagnierend und ideenlos, werden in Zukunft solche Kämpfe für unkommerziellen Freiraum, alternativen Wohnraum, Zwischennutzungen und experimentellen Kulturraum immer wiederkehren. Die Geschichte soll sich aber nicht wiederholen, sondern eine neue angepackt werden!

Luzern braucht Visionen für Abwechslung

Was man daraus erkennt, ist die fehlende Akzeptanz und Mutlosigkeit der Stadtverwaltung gegenüber Freiräumen und der kreativen Szene. Eine Gesellschaft braucht Ablenkung, Freizeit, ein ausgewogenes Pendant zum Arbeitsalltag und gemeinsame Nenner – kurz gesagt Kunst und Kultur. Ob als Konsument*in oder als Schaffende*r wird einem der Horizont geöffnet und der Kopf durchgelüftet, was bei den steigenden Erwartungen in unserer Leistungsgesellschaft dringend von Nöten ist.

Orte müssen generiert werden, bei denen kein Konsumzwang herrscht und die freie Entfaltung aller ermöglicht sein muss. Zentrale Kulturstätten dürfen nicht gänzlich oder in die Agglomeration verdrängt werden aufgrund von Überbauungen. Das blosse Brachlegen oder Überbauen umgenutzter Industriezonen in der Stadt ist nicht mehr zeitgemäss – es braucht moderne Visionen von Umgestaltungen, damit Freiräume und offene Plätze Abwechslung bieten und der Innenstadt wie auch den Quartieren erhalten bleiben. Ein abwechslungsreiches und lebendiges Luzern hat dann überregionalen Charakter, wenn es sich neu erfindet und Schiefes zulässt. Eine Stadt lebt von den Menschen, die sie gestalten, und Menschen leben dort, wo sie sich frei entfalten und für eine Vision einstehen können.