Weniger Bequemlichkeit für mehr Lebenskomfort

30.09.2021 - Léon Schulthess (ER)

Seit Beginn der Pandemie fehlen die massenhaften Gruppen an Tourist*innen. Es gab Luft zum Durchatmen, die Innenstadt wurde leiser und überall fand man mehr Platz vor. Doch Luzern könnte in der Stadt noch viel mehr Platz schaffen für die Bevölkerung und jetzt einen Richtungswechsel im Tourismus und in der Mobilität anpacken.

Luzern muss endlich davon wegkommen, dem Massentourismus die bequemste Lösung anzubieten, über welche sich die Bevölkerung bloss ärgert und welche die Verkehrsbelastung erhöht. Man sollte den Gruppen zutrauen dürfen, über den vorhandenen ÖV aus dem Ballungsgebiet ins Zentrum zu gelangen – die Distanz und die Reisezeit sind wahrlich keine Bemühungen. Auch Personen, welche über Anbieter wie beispielsweise Flixbus nach Luzern kommen, müssen nicht mitten in die Stadt gekarrt werden.

Den Tourist*innen darf ein kurzer Transit abverlangt werden

In Mailand und München beispielsweise steigt man ausserhalb als Cartourist*in auf den ÖV um und gelangt in wenigen Minuten zu den zentralen Attraktionen. Aber auch Städte wie Bern und Lugano haben ihre Fernbusbahnhöfe nicht mitten im Zentrum. Auch in Anbetracht des Durchgangsbahnhofes wäre ein verbesserter Transit nach ausserhalb gelegenen Parkplätzen praktisch. Beachten müsste man dabei jedoch den ÖV-Anschluss auch während nächtlichen An- und Abfahrten, da besonders Flixbus viele Fahrten nachts anbietet.

Es erfreute, als der Stadtrat den vorübergehenden Standort für die Carparkplätze des Inseli auf dem Rösslimatt-Areal in Kriens gefunden hatte – doch die Freude über die ersten Schritte beim Inseli-Projekt wich gleich darauf ernüchterndem Unverständnis. Denn durch die Erweiterung des Inselis sollten Cars nicht mehr bis ins Zentrum der Stadt Luzern fahren, um dadurch den innenstädtischen Verkehr zu entlasten. Der Standort Rösslimatt würde genau dies begünstigen, aber nicht jene paradoxe Nutzungsidee des Stadtrates.

Somit sollten stets noch die Cars in die Innenstadt fahren, um die Touristen auszuladen und dann vis-à-vis des Südpols zu warten. Daraufhin müssten die Cars wieder die Personen in der Stadt aufgabeln und weiterfahren. Dies verdoppelt bloss den bisherigen Carverkehr. Wieso dieser unnötige Mehraufwand, der bloss das Chaos verschlimmbessert? Bei der Rösslimatt gibt es in der Nähe den Anschluss der S-Bahn sowie die VBL, mit deren Angeboten die Tourist*innen schnell und einfach ins Zentrum gelangen könnten – weswegen wird die vorhandene Infrastruktur nicht für den Tourismustransit genutzt?

Ein breites ÖV-Angebot sollte zum Mobilitätswandel animieren

Wenn man über Cars spricht, muss auch über den Individualverkehr, welcher viel Platz einnimmt, nachgedacht werden. Die Mobilität muss sich dahingehend ändern, dass man nicht mehr das Auto nutzt, um in Luzern den Einkauf oder Sonstiges zu erledigen. Um einen Wandel hin zu einer ökologischeren, leiseren und sicheren urbanen Mobilität per ÖV zu generieren, dürfen wir aber nicht mit Verboten oder Preiserhöhungen starten. Denn noch viele Personen, besonders auf dem Land, sind auf das Auto finanziell, aufgrund der Wohnlage oder des Berufs angewiesen.

Es braucht ein breit abgedecktes und kostengünstiges ÖV-Netz im gesamten Kanton, damit eine gute und nachhaltige Variante zum Auto angeboten wird. Die Ausweitung von Dienstleistungen führt zu einer Reduktion des Parkplatzbedarfs und Kombi-Abos verringern die Fahrleistung, was man in Helsinki beispielsweise beobachten kann. Gerade im Grossraum Luzern, dessen Agglomerationen längst eigene urbane Räume wurden, kann mit einer verstärkten Anbindung ans öffentliche Nah- und Fernverkehrsnetz die polyzentrische Entwicklung gefördert werden.

Eine ruhigere und langsamere Stadt verbessert die Lebensqualität

Für einen beruhigten Verkehr in Luzern muss auch die Drosselung des Tempos auf 30 vonstattengehen. Zahlreiche Studien zeigen auf, dass Tempo 30 die Sicherheit erhöht, den ökologischen Fussabdruck verbessert und die Lärmbelastung mindert – drei wesentliche Faktoren für eine lebenswerte und Stress-reduzierende Stadt, welche mehr der lokalen Bevölkerung dient. Neuestes Beispiel für flächendeckende Tempo-30-Zonen ist Paris, wobei die Metropole – im Vergleich zu anderen grösseren Städten – eher ein Nachzügler ist.

Und wer zahlt für die Infrastruktur des Mobilitätswandels? Man hört es vielleicht nicht gerne, aber es sind wir Steuerzahler*innen. Doch das ist kein Novum – momentan zahlen wir alle an die Autobahnen, an den Parkplatzunterhalt oder etwa an die Mehraufwendungen bei Polizei, Feuerwehr und Bauhöfen, egal, ob man sie selber beansprucht oder nicht. Das Angebot eines stark subventionierten ÖV mit grosszügigem Angebot wäre eine nicht-monetäre Rückvergütung an alle Steuerzahler*innen und es käme allen zugute. Alle sollten mit ihren Steuern diesen Service public nutzen und einen Beitrag an ein ökologisches und verkehrsbefreiteres Luzern beitragen können.

Und schliesslich bedeutet es auch nicht, das Auto vollständig zu vertreiben, jedoch die alltägliche Gewichtung anders auszurichten. Es geht um die alltägliche Bewegung, um die kurzen Strecken und um das Reflektieren der Bequemlichkeit, zu welcher das Auto verleiten kann. Und es geht darum, dass die Stadt Luzern mit mehr touristischen Langzeitaufenthalten und dezentralisierten Transitangeboten die Strassen und die Gemüter der Bevölkerung beruhigt. Denn eine Stadt voller Blechlawinen ist nicht attraktiv für Touristinnen und keine Lebensfreude für die Bevölkerung.