Offener Brief: Fetisov Journalism Awards

13.01.2020

Offener Brief für die Absage der «Fetisov Journalism Awards»

Der Journalismus ist ein wichtiger Bestandteil unserer Demokratie. Als sogenannte «Vierte Gewalt» sorgen die Medien für einen stets kritischen Blick auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ereignisse. Möglichst unparteiisch sollte diese Berichterstattung sein, um der Bevölkerung einen neutralen Einblick in die Weltgeschehnisse zu gewähren. Die Unabhängigkeit des Journalismus von politischen und wirtschaftlichen Interessen ist somit die wichtigste Grundlage für eine freie Demokratie.

Doch genau diese Unabhängigkeit gerät durch die Einmischung von Superreichen in Bedrängnis, indem diese haufenweise Medienhäuser aufkaufen. Dadurch entsteht eine Polarisierung und Verschmelzung von grossen Medienhäusern. Statt neutral zu Berichten wird zunehmend «Meinungsmache» betrieben. Es ist sehr bedenklich, dass einflussreiche und wohlhabende Menschen in den freien Journalismus eingreifen und diesen für ihre persönlichen Zwecke missbrauchen.
Dass nun superreiche Oligarchen nicht nur die Medien kontrollieren, sondern sogar den Journalismus bewerten wollen, ist aus unserer Sicht ein absolutes No-Go. Eine glatte Ohrfeige ins Gesicht des unabhängigen Journalismus. Deshalb bitten wir Sie, die Durchführung der «Fetisov Journalism Awards» am 22. Januar 2020 im Hotel Schweizerhof zu streichen, um ein Zeichen für den unabhängigen Journalismus zu setzen!

Die Glaubwürdigkeit des Veranstalters und Stifters, der russische Milliardär Gleb Fetissow, ist äusserst fragwürdig. Bereits die Geschäfte in seiner wirtschaftlichen Laufbahn sind umstritten und endeten sogar mit einem anderthalbjährigen Aufenthalt in der Untersuchungshaft wegen des Verdachtes auf Veruntreuung. Nachdem er vergeblich versuchte, in das Medienbusiness einzusteigen - obwohl er zuvor kaum etwas mit Journalismus zu tun hatte - will er nun den höchst dotierten Preis für «guten Journalismus» verleihen.

Die Mitglieder der Jury brillieren zwar auf den ersten Blick mit hoher Integrität. Zwei derer sind jedoch sehr umstritten. Deborah Bergamini arbeitete im PR-Team für Silvio Berlusconi und sitzt immer noch für seine rechts-konservative Partei «Forza-Italia» in der Abgeordneten-kammer. Ihr Abgang aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RAI war begleitet von Vorwürfen der Absprache mit den Berlusconi-Sendern. Das zweite Kontroverse Mitglied der Jury, Guy Mettan aus Genf, politisierte jahrelang für die CVP und sitzt nun als Parteiloser im Genfer Grossrat. Er hat ein Buch über die «Russophobie» verfasst, in welchem er sich klar pro-russisch positioniert und unter anderem den Krieg in der Ukraine nicht als «Krieg» bezeichnet.

Wir bitten Sie, unsere Bedenken ernst zu nehmen und die «Fetisov Journalism Awards» abzusagen. Es wäre ein bedeutendes Zeichen gegen die zunehmende Kontrolle durch Superreiche und ein klares Signal für den unabhängigen und neutralen Journalismus! Wir erwarten eine klare Stellungnahme zu unserem Anliegen.